Studie: Long Covid-Betroffene benötigen vor allem Therapieforschung

Mit fachlicher Unterstützung von Wissenschaftlern haben Long Covid-Betroffene ihre dringendsten Bedürfnisse und für sie wichtigsten Forschungsthemen definiert. In dem Citizen Science-Projekt, in dem Forschende gemeinsam mit Laien Antworten auf wissenschaftliche Fragen suchen, kam das Team zum Schluss, dass Forschung in den Bereichen Behandlungen und angepasste Versorgung sowie Zahlen über betroffene Kinder und Jugendliche am dringendsten benötigt wird. Die Betroffenen hoffen, dass diese Erkenntnisse helfen, die begrenzten Forschungsgelder für die relevantesten Long Covid-Projekte einzusetzen.

Ziel des Projektteams war es, die Prioritäten der Betroffenen besser zu verstehen, um Forschungsvorhaben in der Schweiz auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen man die Gesundheit und die Lebensqualität der Patient:innen am entscheidendsten verbessern kann. Momentan am relevantesten sind für die Betroffenen neben einer eindeutigen Diagnose und wirksamen Behandlung und angepassten Rehabilitation auch die Weiterbildung und Anerkennung von Long Covid bei Erwachsenen und Kindern durch Fachpersonen. Dies zeigte eine Studie, welche heute in der Fachzeitschrift Patients veröffentlicht wurde.

Verlässliche Daten zu Long Covid fehlen
Viele Betroffene sind auch nach zwei Jahren noch nicht genesen, und es existiert nach wie vor keine wirksame Behandlung oder Rehabilitation. Über Ursachen und Mechanismen von Long Covid, wie auch über Diagnose, Therapie und Prävention der komplexen Erkrankung existieren auch nach zwei Jahren Pandemie noch nicht viele verlässliche Daten. In der Schweiz wird zurzeit keine einzige klinische Studie durchgeführt, in der Sicherheit und Wirksamkeit konkrete Therapieansätze untersucht werden. Durch neue klinische Studien erhoffen sich Patientenorganisationen und Forschende, dass wir endlich Antworten auf die vielen offenen Fragen erhalten.

Bürgerwissenschaft für relevante Forschung
Die Bürgerwissenschaftlerinnen und Bürgerwissenschaftler arbeiteten mit einem Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich (UZH)  zusammen. Das Forscherteam rekrutierte ein Long Covid-Board, welches aus Patient:innen mit Long Covid und myalgischer Enzephalomyelitis (chronischem Erschöpfungssyndrom, ME/CFS) bestand. In Online-Treffen wurden die wichtigsten Themen zusammengetragen und nach ihrer Wichtigkeit bewertet.

«Die Forschenden halfen uns, jene Forschungsthemen zu definieren, die potentiell den grössten Einfluss auf Leben von Betroffenen haben könnten. Es überrascht deshalb nicht, dass die Ergebnisse unsere grösste Sorge widerspiegeln – nämlich, dass es immer noch keine sichere wirksame Therapien gibt für Long Covid und ME/CFS, und dass in der Schweiz keine klinischen Studien in diesem Bereich durchgeführt werden», sagt Chantal Britt von der Patientenorganisation Long Covid Schweiz.

Einbezug von ME/CFS-Betroffenen
In dem Projekt konnten ME-Patient:innen, deren schwere neuroimmunologische Erkrankung seit vielen Jahren von der Forschung vernachlässigt wurde, mit langjährigen Erfahrungen der SGME und ME/CFS Schweiz wichtige Inputs geben über längerfristige Entwicklungen, Herausforderungen und Erwartungen bei postviralen Krankheitsbildern. Dies ist vor allem entscheidend, wenn Betroffene unter einer sogenannten Belastungsintoleranz leiden, wo eine Überbelastung zu einer Verschlechterung der Symptome führt – und in einer nicht zu vernachlässigbaren Anzahl von Fällen zu einer Chronifizierung, also oft zu ME/CFS.

Das Projekt erhielt im Jahr 2021  von der Partizipativen Wissenschaftsakademie der UZH und der ETH Zürich eine Anschubfinanzierung. Long Covid Schweiz arbeitete in diesem Projekt unter anderem mit der Schweizerischen Gesellschaft für ME & CFS, SGME, dem Verein ME/CFS Schweiz und dem Altea Long Covid Network zusammen.

Referenz:
Sarah Ziegler, Alessia Raineri, Vasileios Nittas, Natalie Rangelov, Fabian Vollrath, Chantal Britt, Milo A. Puhan. Long COVID Citizen Scientists: Developing a NeedsBased Research Agenda by Persons Affected by Long COVID. The Patient – Patient-Centered Outcomes Research. 28 April 2022. DOI: https://doi.org/10.1007/s40271-022-00579-7

Medienmitteilung als PDF.

Über Long Covid Schweiz:
Long Covid Schweiz ist eine Patientenorganisation, die sich seit September 2020 für die Anerkennung von Long Covid als Krankheitsbild, die Erforschung klinischer Behandlungen und die Unterstützung Betroffener einsetzt. In mehrsprachigen Selbsthilfe-Gruppen tauschen sich weit über 3000 Patient:innen aus.

Anfragen:
Chantal Britt, Long Covid Schweiz, +41 76 588 08 24; chantal.britt@long-covid-info.ch